«Ich sammle Leben, nicht Jahre.»

Michèle Bowley

ÜBER MICH

Liebe Familie, Liebe Freunde, Liebe Gefährten, …unser Leben dauert ein paar Atemzüge. Dann verlassen wir unseren Körper und gehen weiter. Wohin auch immer.

Mein Leben war voller schöner, herausfordernder Erfahrungen. Voller unerwarteter Wendungen. Voller Mut, Wut, Trauer und Neuanfänge. Vor allem aber voller Liebe. Liebe zu euch, zu mir, zum Leben an sich. Je näher das Ende kam, desto mehr spürte ich diese in Jedem und Allem. Und wie immer im Leben, spürte ich Lust zu gestalten. Ich wollte Teil dessen sein was geschieht und nicht einfach geschehen lassen. Eine Philosophie, die mein ganzes Leben bereicherte. Und die ich gleichzeitig auch als Kondensat meiner Lebenszeit verstehe. Mach dein Ding. Jetzt! Sei mutig, ehrlich und verwegen. Bereue schnell, stehe auf und weiter geht’s!

Teil meines Abschieds-Prozesses ist diese Website. Eine wilde Sammlung aus Erlebnissen und Erinnerungen meiner Lebenszeit. Während des Prozesses wurden mir Dinge klar, andere verwirrten mich, wieder andere brachten mich zum Staunen. Erinnern heilt.

Jetzt, da ich nicht mehr bin, seist auch du, liebe Leserin und Leser eingeladen dich an mich zu erinnern.

Wir sehen uns.

herzlichst,

Michèle

Erinnerungen an mein Leben ...

Traumtanz im Tütü

Mit fünf Jahren will ich Tänzerin werden.

Ein Traum wird wahr

Ein Tütü mit rosa Tüll tragen ist mein Traum. Eines Tages spaziere ich an der Hand meiner Mutter ins Nachbardorf. Im  muffigen Keller eines Mehrfamilienhauses ziehen sich  junge Mädchen um. Sie  tragen rosa Tütüs. Jubel, ich darf ins Ballett! 1000 Küsse fürs Mami.

Wir starten mit einem «Plie», die erste Position für AnfängerInnen. Stolz die Po-Bäckchen zusammenkneifen. Mit der Ernsthaftigkeit eines Kindes mache  ich alles nach, was die Lehrerin uns zeigt. Ich schliesse die Lehrerin sofort in mein Herz.  Immer wieder wiederhole ich die erste Klasse. Ich will meine Ballettlehrerin nicht verlassen! Eines Tages verkündet sie, es ist Zeit für mich, weiterzugehen. Meine Eltern wollen nicht, dass ich Spitzentanz lerne. Das verstümmelt die kleinen Füsschen. Ich will weiter bei dieser Lehrerin Unterricht bekommen. Ich merke: Der Moment ist gekommen loszulassen und mich mehr meinen Freundinnen und dem Lesen zu widmen. Jeder Traum geht zu Ende, oder?

Meine kranke, weise Mutter

Meine Mutter leidet unter Angst- und Panikattacken, Depressionen. Sie liegt fast immer im Schlafzimmer oder auf dem Sofa. Aus ihrer Krankheit lerne ich fürs Leben.

Meine weise Mutter

Wie geht es ihr heute? Was kann ich tun, damit es ihr besser geht? Meine Mutter ist krank. Ich bin ihre Schmusekatze, Bespasserin, Poetin, Masseurin … Früh entwickle ich Antennen für das Wohl meiner Mitmenschen (kein Wunder werde ich später Psychologin!)

Zu meinem 20. Geburtstag schreibt sie mir Sätze wie «Höre auf Dein Inneres», «Ich wünsche, dass der Glaube an das Ewige, Dich beschützen mag». Sie setzt  meinen spirituellen Prozess in Gang. Ich erkenne, dass Leiden transformiert werden kann. Auch dank Mamas Krankheit wuchs ich zu der Person, die ich heute bin und sterbe als freie Frau.

Video: Super 8 Film. Die kleine Michèle mit ihrer Mama.

Vater

Mein Vater – der Tausendsassa

Im Bastelkeller, Holzspäne in der Nase, lässt mich mein Vater Nägel ins Brett schlagen. Er vertraut mir – und ich vertraue ihm.

Mein Vater – mein Lehrer

«Hello grandma, how are you?» piepse ich ins Mikrofon. Da freut sich die Oma aus England. Daddy lehrt mich Laufen, Schwimmen, Fahrradfahren und auch Englisch sprechen und lesen. Er übernimmt viel, weil Mama krank ist. Zuviel? Sprechen tut er kaum. Aber machen umso mehr: Spaziergänge in der Natur versüsst er mit Wortspielen «Bilde ein Wort aus der letzten Silbe des vorigen Wortes». Waldleben – Lebenstraum – Traumfänger … An Wochenenden schmelzen wir bemalte Plastikbächerli im Ofen (bäh das stinkt!), machen Email-Broschen, Makramee und Fadenbilder… Stundenlang sitzen meine Schwester und ich mit ihm im Keller auf dem weichen Teppich, basteln und vergessen die Zeit.

Patenkind Melissa

Wir schütteln Melissa sanft, bis sie wieder atmet. Da spüre ich, wie sehr ich dieses unschuldige, perfekte kleine Wesen bereits liebe ...

Melissa mein Gottimeitli

1997: meine Schwester erwartet ihr erstes Kind. Zur Vorbereitung lese ich Elternbriefe der Pro Juventute, besuche einen Säuglingspflegekurs und sehe überall nur noch Frauen mit dicken Bäuchen oder Kinderwagen. Ich werde Gotti und freue mich riesig auf den Familienzuwachs. Ich nehme mir 3 Wochen Zeit, um meine Schwester zu unterstützen und die neue Erdenmaus Melissa kennen zu lernen. Sie ist so süss und still. Manchmal fast zu still. Ich erinnere mich an einen Moment, wo sie zu lange nicht mehr atmet. Meine Schwester kommt aus der Küche gerannt. Wir schütteln Melissa sanft, bis sie wieder atmet. Da spüre ich, wie sehr ich dieses unschuldige, perfekte kleine Wesen bereits liebe.

Eine kleine, rosarote Pille

Mit Extacy zur Selbsterkenntnis?

Mit Extacy zur Selbsterkenntnis?

Die wilden 90er! Andere Jugendliche feiern mit Extacy Technoparties. Ich versuche mich damit selbst zu erkennen.

Ich zögere. Ich habe Angst etwas Unangenehmes über mich zu erfahren. Oder meinem Freund zu sagen, was ich normalerweise nicht ungefiltert sage.

Dann werf ich sie ein: eine kleine, rosarote Pille. Nach 20 Minuten: Wärme im ganzen Körper, Schwindel. Ich liege im dunkeln Zimmer. Das nervöse Ticken des Weckers verstummt und mit ihm die Zeit. Ich bedecke mein Gesicht mit einem Tuch. Dunkelheit pur. Unendlicher Raum. Plötzlich: eiskalte Fingerspitzen und Zehen.

Dann: ein Strudel von Bildern, Gefühlen und Gedanken: Ich bin Leben! Existenz! Ich bin gesund und erfüllt.! Eine Stimme in mir will Erleuchtung, hat jedoch keine Geduld – meine treibende Kraft?

Dann sehe ich wie einsam meine Mutter ist. Sie sammelt alles, was ihr in die Hände kommt. Puppen und Stofftiere besetzen jede Ecke unseres zuhause. Das alles kann ihre innere Leere nicht füllen. Ich erkenne: weder ich noch mein Papa können diese Leere füllen. Ich würde sie so gerne glücklich sehen! Ich habe so viel Leben, Liebe und Freude in mir!

Danach ein abstraktes durcheinander: Reisen in frühere Leben, Geld, Beziehung, Selbstwertgefühl, Trotz, Ideale, Macht und Aggression  Ich erkenne, wie ich mich in meinem Leben entwickeln kann. Dann merke ich, dass die Zeit noch nicht reif ist.

Plötzlich sehe ich mich in der Zukunft mit kindlicher Naivität, Offenheit, Neugier, spielerischer Gelassenheit und schelmischem Blick an  fremde Orte hüpfen. Ohne Angst, was die Leute von mir denken.

Das Extacy sprudelt weiter.

Vier Stunden später: Mein ganzer Körper ist angespannt und zieht sich zu einem Zittern zusammen. Erschöpfung.

Eine trügerische Wahrheit? Ein wahrer Trug?

Ich weiss es bis heute nicht.

 

Loslassen, Ankommen, Weitergehen

Mein Leben ist geprägt von ständigem Wandel. Ich ziehe sechzehn Mal an einen neuen Wohnort ...

Loslassen, Ankommen, Weitergehen

Basel, Vevey, Valorb, Bottmingen, Aesch, Zürich, Basel, Zug, Liestal, wieder Aesch, Olten, wieder Basel… Ich packe in meinem Leben sechzehn Mal mein Hab und Gut in Umzugskartons und packe sie aus an einen fremden Ort. Sechzehn Mal Loslassen, sechzehn Mal Ankommen, sechzehn Mal Weitergehen. Alles ist in steter Veränderung. Ich lerne: Der Muskel des Loslassens ist trainierbar. Das Gefühl «zuhause zu sein» hat nichts mit äusseren Umständen zu tun, viel mehr ist es eine innere Haltung!

Rulli, ich liebe dich

Am Ticketschalter am Bahnhof treffe ich ihn: Rulli ein Mann mit wilder Mähne und sinnlicher Präsenz. Der Blitz schlägt ein.

Dich liebe ich.

Ein Gemisch aus Nelkenzigaretten, Satéspiesschen und frittierten Bananen liegt in der Luft. Auf einem Tempel ragen Lord Shiva, umschlungen mit Shakti. Alles ist untermalt von rhythmischer Gamelan-Musik. Indonesien zieht mich in Bann.

Ich reise alleine und ohne Pläne. Wenn etwas nicht funktioniert, frage ich. Begegnungen bereichern. Am Ticketschalter am Bahnhof treffe ich ihn. Rulli ein Mann mit wilder Mähne und sinnlicher Präsenz. Der Blitz schlägt ein.

Wir gehen ins Restaurant und erzählen uns voneinander. Als Rulli mir etwas ins Ohr flüstern will, küsst er mich auf die Wange. Unzählige Küsse folgen und sie dauern bis zum heutigen Tag.

Rulli, ich liebe dich

Diese 11 Schritte verändern mein Leben

2009: der erste Tag als “Programmleiterin Psychische Gesundheit” im Kanton Zug. Fremde Umgebung. Alles Neu. Wie kirege ich das alles hin?

11 Schritte Karte

Diese 11 Schritte verändern mein Leben.

Gross hängt das grüne Plakat mit den «10 Schritten für psychische Gesundheit» an meiner Bürowand. Aktiv bleiben, Kreatives tun, darüber reden, sich beteiligen, Hilfe holen, sich nicht aufgeben … Das ruft zur sofortigen Anwendung! Ausprobieren und mich integrieren, ist meine Devise: Ich Belege Kurse, lerne Menschen kennen und bin aktiv.

Ich fühle mich schnell zu Hause. Die Anwendung der Schritte bereichert ich mein Privatleben. Fortan nutze ich die 10 Schritte mehr und mehr in meinen Beruf. Ich entwickle eine Methode zur praktischen Umsetzung und ergänze ich mit «bewusste Ernährung» um einen elften Schritt. 2018 mache ich mich mit «Psyche stärken» selbstständig. Ich bereichere das Leben Hunderter damit.

Wenn ich das Strahlen in den Augen der Teilnehmenden sehe, hüpft mein Herz.

Meine Eltern und ich

Mama stirbt

1994: Meine Mutter, 55-jährig, hat Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die Operation zeigt, Metastasen überall. Unheilbar. Für Mutter war schon immer klar, sie will zuhause sterben. Keine Frage, ich will für sie da sein

Meine Eltern und ich

Ich bin für dich da! Meine Mutter stirbt.

Meine Mama hat Krebs. Unheilbar. Ich unterbreche mein Psychologiestudium und ziehe wieder in mein Kinderzimmer. Die Spitex ist organisiert. Mein Vater – als Selbstständiger – ist auch stets zuhause.

Das Pflegebett kommt in die gute Stube, vor den Fernseher, neben den Esstisch. Meine Mutter ist mittendrin im Geschehen. Ob wir miteinander essen, TV schauen, ich mit einer Freundin telefoniere oder meine Mutter Besuch bekommt, es gibt keine Rückzugsmöglichkeit.

Umso dankbarer bin ich für den einen Tag in der Woche, in der ich in einer Buchhaltung arbeiten kann. Auch wenn ich viele Fehler mache. Meine Arbeitskollegen haben Verständnis.

Ich weine viel. Im Schlafzimmer, wenn meine Mutter es nicht sieht. Alles ist sehr anstrengend. Wir fragen den Arzt immer wieder, wie lange meine Mutter noch leben wird. Er lässt sich zu keinen Prognosen verleiten. Ich verschlinge viele Bücher übers Sterben und Sterbebegleitung. Besonders spannend finde ich die Beschreibung der Sterbephasen von Kübler Ross, Sterbeforscherin und Psychiaterin.

Das ich überfordert bin, mit 26 Jahren meine Mutter beim Sterben zu begleiten, zeigt sich auch in körperlichen Symptomen. Auf einer Zugfahrt werde ich sogar auf meine starke Akne angesprochen. Und trotzdem. Ich möchte diese Erfahrung nicht missen. Für meine Mutter in dieser Art da zu sein, war das Sinnvollste, was ich bis zu diesen Zeitpunkt je getan habe.

my way - mein Weg

Seit ich mich erinnere, tue ich das, was mir entspricht. Ich folge meinem inneren Kompass ...

My way

Der Religionslehrer ist engstirnig. Ich will nicht mehr zum Unterricht. Er besucht meine Eltern. Die stehen hinter mir. Konfirmationsgeschenke sind mir egal. Ich will nach dem Studium nicht doktorieren. Mein Vater hätte gerne studiert. Klipp und klar spiegle ich ihm das als seinen Wunsch. Das kann ich nicht für dich tun. Ich will in die Praxis, da werden keine Doktorlöhne bezahlt. Ich verliebe mich in Indonesien unsterblich in einen 16 Jahre jüngeren Mann. Mein Umfeld verwirft die Arme. Ich heirate trotzdem. Ich werde digitale Nomadin, obwohl Freunde mir die finanzielle Sicherheit in einem Grosskonzern empfehlen. Ich entscheide mich immer für mein Herz und gehe meinen Weg. Und bereue nichts.

Krebstagebuch

Mein Handy klingelt aufdringlich. Ich renne ins Wohnzimmer. Unwillig halte ich mir das Handy ans Ohr. Eine liebe Freundin ist dran. Schon wieder erzähle ich über meine Diagnose Brustkrebs. Ich bin es müde!

Mein Krebstagebuch

Im Juli 2020 erhalte ich die Diagnose Brustkrebs. Mein Umfeld reagiert mit dutzenden Anrufen. Lieb, dass sich meine Liebsten für mich interessieren. Aber auch anstrengend! An gewissen Tagen drücke ich die Anrufe nur noch weg. Das hilft niemandem. Ich suche eine Lösung um das zu bündeln.

Ich entscheide mich ein Youtube-Krebstagebuch zu machen. Regelmässig informiere ich meine Liebsten sowie andere Krebsbetroffene. Ich lerne mich selbst zu filmen, die Videos zu schneiden und auf Youtube zu veröffentlichen. Das macht Spass. Ich bin stolz jetzt eine Filmemacherin zu sein :-).

Was tun, wenn wir die Diagnose erhalten, bald zu sterben?

Ausgehend von meinen Erfahrungen, drehe ich einen Film über die Auswirkung der diagnose "unheilbar krank"

Was tun, wenn wir die Diagnose erhalten, bald zu sterben?

Es gibt Themen, über die sprechen wir kaum. Z.B Diagnosen, die uns vor Augen führen, bald zu sterben. Florian Bitterlin, der Filmemacher, drehte diesen Film mit mir. Ich habe Metastasen im Hirn und lebe in absehbarer Zeit nicht mehr. Was tun, bei einer Diagnose, die uns mit unserem baldigen Ende konfrontiert? Welche Behandlungsart passt für mich? Wem mitteilen? Wer managt mein Erbe? Wie nutze ich die letzte Phase meines Hierseins kreativ und inspirierend? Der Film «Hallo & Tschüss» liefert Ideen.

Frau Bowley, wie finden sie den Mut?

Michèle Bowley im Gespräch mit der Psychonkologin Lucia Stäubli.

Frau Bowley, wie finden sie den Mut?

Ein Gespräch über den Mut zu sterben. Geführt im Garten des Claraspitals Basel.

Video: Lucia Stäubli, Psychoonkologin, Basel

Mein poetisches Adieu

Grosse Dinge werfen ihre Schatten voraus: Das folgende Abschiedsgedicht schrieb ich drei Monate vor meiner Diagnose.

Adieu –

Solange ich gekonnt,
hab ich gearbeitet,
mich in der Wärme gesonnt,
und Freude verbreitet.

Wird’s Feierabend früher als gedacht,
Lass ich das Tagewerk nun,
Das wäre ja gelacht,
ab jetzt werd ich ruhn.

Abdankungsfilm

Ein Erinnerungsvideo von Florian Bitterlin.

Abdankungsfilm

Am Ende des Lebens bleibt nur die Erinnerung. Diese habe ich mit Filmemacher Florian Bitterlin in einem Video gestaltet. Viel Spass.